Freitag, 6. März 2015

Peking

Ein Tag voller Pleiten


Lange habe ich diesen Blog Eintrag vor mir her geschoben. Und jetzt sitze ich hier, will eigentlich versuchen meine unzähligen Eindrücke aus dem schönen Vietnam in ein paar Zeilen zu verfassen und stelle fest, dass ich noch nicht einmal meinen letzten Trip nach Peking zu Papier gebracht habe. Wie kann das sein, ich bin doch sonst nicht so schreib faul?
Der Hauptgrund ist wohl der, dass an diesem letzten Tag in der chinesischen Hauptstadt aber auch einfach gar nichts nach Plan gehen wollte und ich wohl versucht habe, diesen Tag so gründlich wie möglich aus meinem Gedächtnis zu streichen.

Hier nochmal eine kurze Zusammenfassung der letzten Tage, da diese Einträge ja doch schon ein bisschen zurück liegen:
Mai, Michi und ich sind mit dem Zug nach Peking gefahren, um die Stadt in einem Wochenende zu erkunden. Schlafen konnten wir bei Alex, einem Freund von Michi. Die Mauer, die eigentlich für den Samstag geplant war, mussten wir auf Sonntag verschieben. Das hatte zwei Gründe: Zum Einen war das Wetter am Samstag ziemlich bescheiden (windig und regnerisch) und zum Anderen ging es mir und Mai gesundheitlich überhaupt nicht gut und wir hatten die Hoffnung, es würde gegen Sonntag wieder besser werden.
Ich musste allerdings Sonntag gegen fünf Uhr abends meinen Zug erwischen, da mich in Shanghai noch ein Bewerbungsgespräch erwartete, welches gründlich vorbereitet werden wollte. Schließlich handelte es sich um meinen Favoriten für die Bachelor Arbeit.

So weit so gut. Ich quälte mich also Sonntag früh aus der Schlafcouch und weckte die Anderen, damit wir zum Frühstück los konnten. Mit vollen Mägen fuhren wir zum Bahnhof und suchten den Ticketschalter. Nachdem wir die Tickets gekauft hatten, stellten wir fest, dass wir den Zug um Minuten verpasst hatten. Wie ärgerlich! Außerdem fuhr er gar nicht im Stundentackt, sondern nur alle zwei Stunden. Da schon fast Mittag war, musste ich feststellen, dass der nächste Zug zu spät wäre, ich würde nicht mehr rechtzeitig zurück kommen. Ein Guard, der überraschend gut Englisch sprach, wies uns darauf hin, dass es eine Ubahn Station weiter eine Bushaltestelle gab, von der aus man auch zur chinesischen Mauer fahren konnte. Der Bus sollte um 12 gehen. Das würde stressig werden, denn ich hätte dann nur zwei Stunden an der Mauer, aber besser als nichts. Also fuhren wir eine Station zurück und machten uns auf die Suche nach besagter Haltestelle. Wir wussten die Nummer der Linie und folgten den Schildern. Nach etwa zehn Minuten Gehweg und gefühlten tausenden chinesischen Taxifahrern (die wir allesamt gekonnt abwimmelten), fanden wir die Station. Es war 20 vor 12, und es stand niemand an der Station. Wir hätten auch beinahe das Schild mit der Busnummer übersehen, aber ein netter Herr hat uns zum Glück darauf hingewiesen. Er konnte ein klein bisschen Englisch und Mai unterhielt sich nett mit ihm, ich glaube darüber dass sie aus Deutschland kommt, aber ihre Eltern in Vietnam geboren und aufgewachsen sind.
Währenddessen kam eine Gruppe Chinesen, wartete mit uns an der Bushaltestelle für ein paar Minuten und verschwand dann wieder, sodass wir  wieder ganz allein auf die Ankunft des Bus hofften. Als dann 10 vor 12 der nette Herr uns darauf hin wies, dass sein Freund ihm gesagt hätte, der Bus fahre heute nicht, aber er kenne zufälligerweise einen Taxi Fahrer, kam mir das ganze schon mehr als spanisch vor. Dass dem Typen nicht zu trauen ist, war ab diesem Moment jedem von uns klar, selbst Mai sah das ein, obwohl sie generell immer an das Gute im Menschen glaubt.
Wir beschlossen, noch bis zwölf zu warten, denn wir vermuteten, dass sein Plan ist, uns vor zwölf ins Taxi zu bekommen, so dass wir den Bus gar nicht mehr sehen würden.
Ich glaube Michi war es dann, der herausfand, dass die ganze Haltestelle ein einziger Schwindel war. Die Busnummer war nur von dem überaus findigen Halsabschneider von Taxifahrer an die Haltestelle geklebt worden. Wir fanden die echte Haltestelle etwa 400 m weiter um die Ecke. Natürlich hatten wir den Bus dann verpasst. Wir kochten vor Wut. Es war das erste mal, dass ich Mai in so einem wütenden Zustand gesehen hatte. Wir fluchten vor uns hin und es entstand eine Diskussion darüber, ob das, was der Taxifahrer mit uns gemacht hat, moralisch vertretbar gewesen ist. Auf der einen Seite hatte er eine Familie zu ernähren und Touristen abzuziehen ist für ihn wohl der einfachste Weg dies zu tun. Andrerseits gibt es auch viele Menschen in diesem Land, die immer ehrlich zu uns waren, auch eine Familie zu ernähren hatten und das schafften, ohne uns den Trip gründlich zu versauen. Aber hier half schließlich auch jede Diskussion nicht mehr. Und es war im Moment auch total gleich, ob es moralisch richtig war oder nicht.
Die nächste Möglichkeit zur Mauer zu kommen war, den Zug zu nehmen, der um halb zwei fuhr. Ich rechnete den Zeitplan immer und immer wieder im Kopf durch, versuchte irgendwo noch Zeit einzusparen, aber es hatte keinen Sinn. Würde ich zur Mauer mitfahren, wäre es unmöglich meinen Zug zurück nach Shanghai zu erwischen. Es ging einfach nicht, ich konnte mir die Mauer nicht anschauen. Ich wollte es mir nicht eingestehen, aber Michi rechnete es auch nochmal durch und kam zum gleichen Ergebnis. Was mich allerdings am meisten aufregte war nicht etwa, dass ich nicht die Mauer sehen konnte oder, dass der Taxifahrer so dreist war (obwohl beides auch sehr ärgerlich ist). Am meisten ärgerte mich, dass ich selbst nach einem halben Jahr in China immer noch auf so etwas hereinfalle. Ich hätte schon der aus dem nichts kommenden Hilfsbereitschaft viel misstrauischer gegenüber treten müssen. Nicht das ich sage, jede Hilfsbereitschaft wäre zu verteufeln, es gibt eine Menge hilfsbereiter Chinesen, ja wahrscheinlich sind die Hinterlistigen sogar stark in der Minderheit. Aber man muss trotzdem misstrauisch bleiben, ansonsten zahlt man für seine Naivität.
Wie dem auch sei, schließlich hatte ich ja noch das Bewerbungsgespräch, es ging sich für mich einfach nicht aus, zur Mauer zu fahren. Enttäuscht verabschiedete ich mich von meinen Freunden und fuhr zum Bahnhof an dem mein Zug ging.
Was für ein niederschmetternder Tag.
Ein paar Tage später, ich war schon wieder in Shanghai, hörte ich, dass Michi und Mai die letzte Gondel von der Mauer verpasst hatten und es somit nicht einmal rechtzeitig zu ihrem Zug geschafft hatten. Sie mussten einen Tag länger in Peking bleiben.
Das Bewerbungsgespräch verlief vielversprechend, die Interviewer erklärten mir, wie ausgezeichnet doch mein Lebenslauf wäre, für eine Stelle hat es am Ende nicht gereicht. Auf Nachfrage hieß es, es läge nicht an mir, die Stelle wäre von oben nicht frei gegeben worden. Ich hoffe, ich finde noch rechtzeitig etwas, das Praktikum muss nämlich mindestens 3 Monate dauern und ich muss die Bachelor Arbeit verteidigen, allerdings geht das nicht zwischen Mitte Juli bis Ende August. Sollte ich also nicht bald etwas finden, heißt das für mich,  dass ich bis September in China bleiben werde. Nicht das ich China nicht mag, aber meine Familie, meine Freunde und Deutschland als Heimat an und für sich geht mir schon sehr ab.
Drückt mir die Daumen, dass das alles noch so hinhaut, wie ich das plane.

In den folgenden Tagen gibt es dann auch wieder schönere Blogeinträge, sprich mit sonnigen Bildern und schöneren Geschichten, die nicht nur von Pleiten handeln.
Bleibt dran und bis dann!

Der nächste Eintrag geht morgen (Samstag) um 13:00 Uhr deutscher Zeit online. Also nicht verpassen ;)

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